Das TÜWI-Kollektiv wurde für die Einrichtung von „TÜWIs HOFLADEN“ am 11.3. auf Anhieb mit dem neuen, erstmals vergebenen "Sustainability Award" des Wissenschafts- und des Umweltministeriums (in der Kategorie „Studentische Initiativen“) ausgezeichnet.

Bei der Preisübergabe durch Minister Hahn im Festsaal der Akademie der Wissenschaften verweigerten sich die AkTÜWIstInnen allerdings schneller, ministerieller Vereinnahmung, erkämpften das Mikrofon und nutzen die Gelegenheit, um vor ca. 100 Anwesenden die Stimme zu erheben: In ihrer Ansprache kritisierten die TÜWIs u.a. den im Publikum anwesenden BOKU-Alt-Rektor Dürrstein für seine repressive Politik gegenüber dem TÜWI während seiner Amtszeit und forderten – unübersehbar auf einem Transparent – von Hahn die Abschaffung der Studiengebühren.
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Die TÜWIs bezogen sich dabei auf den derzeit gängigen Nachhaltigkeits-Diskurs und konfrontierten Preisverleiher und Anwesende mit einer Kritik der gesellschaftlichen Verhältnisse: Dieser oberflächlich geführte Nachhaltigkeits-Diskurs sei eine Folge der Legitimationskrise des Neoliberalismus und verschleiere dabei geschickt Machtasymetrien und Ausbeutungsverhältnisse. Das hier prämierte Beispiel - TÜWIs HOFLADEN - hingegen biete eine gelebte, praktische Alternative zur industriellen Landwirtschaft und eröffne an der BOKU die Möglichkeit nachhaltiger und kritischer Intervention in den Uni-Alltag.

Von der Weigerung Dr. Hahns, danach - persönlich - den TÜWIs feierlich den Preis (eine Trophäe in Form einer silbernen Kugel) zu überreichen, ließen sich die AkTÜWIstInnen nicht lange beeindrucken: Sie nahmen die „Nachhaltigkeits- Kugel“ einfach mit.

 

Die Rede im Wortlaut

Sehr geehrte Anwesende,

Wir wollen mit einer kurzen Rede den Standpunkt des TÜWI- Kollektivs zu dieser Preisverleihung darlegen.

Gemeinsam mit ca. 50 anderen engagierten Studierenden und Nicht- Studierenden TÜWIs betreiben wir an der Boku einen Barbetrieb, ein Kulturzentrum und einen Hofladen, der an der Türkenschanze eine Nahversorgung mit biologischen, regionalen und fair gehandelten Produkten bietet.

Als wir vor ca. zwei Wochen erfahren haben, dass wir als BetreiberInnen des TÜWI als GewinnerInnen für den Nachhaltigkeits- Preis nominiert wurden, löste diese Nachricht im TÜWI Begeisterung aus. Gleichzeitig wollten wir von Anfang an auch bei der Entgegennahme des Preises den Ansprüchen gerecht werden, die wir mit unserem Verständnis von Nachhaltigkeit verbinden.

Wenn wir nämlich unreflektiert über Nachhaltigkeit reden und den gewonnenen Preis ohne ein weiteres Wort entgegennehmen, laufen wir Gefahr, einen Diskurs der Verschleierung zu unterstützen, bei dem die Umstände, unter denen Studierende heute auf den österreichischen Universitäten lernen und arbeiten, ausgeblendet werden.

Seit der Einführung der Studiengebühren haben sich die Freiräume für Studierende noch weiter eingeschränkt.

Studierende anderer Universitäten, die das TÜWI als Vorbild sehen, scheitern mit ihren Versuchen, selbst Freiräume im Stil des TÜWI aufzubauen. Sie scheitern nicht etwa an ihrem eigenen Unvermögen, die Initiative zu ergreifen und sich zu organisieren. Sie scheitern an Uni- Apparaten, die diesen Initiativen gegenüber die Ohren verschließen.

Direkt vor Augen geführt wurde uns diese repressive Strategie an der Universität Wien, wo Studierende im Hof des Alten AKH in einem seit Jahren leer stehenden Gebäude ein selbstverwaltetes soziales Zentrum einrichten wollten. Der Rektor der Uni Wien schickte den Studierenden lieber Spezialeinheiten der Polizei anstatt das Vorhaben zu fördern. An der Uni Klagenfurt scheiterte eine studentische Initiative nach dem Vorbild des TÜWI ebenso an der Uni- Leitung.

Wir finden diese Doppelbödigkeit deshalb so empörend und wir solidarisieren uns hier mit den erwähnten Gruppen, weil der Freiraum TÜWI von Studierenden der Boku erkämpft und nicht einfach „von oben“ bereitgestellt wurde.

Dass das TÜWI die Ära des Alt- Rektors Dürrstein nun überlebt hat – was ja selbstredend Voraussetzung für die Teilnahme an diesem Wettbewerb war – ist nur auf die entschlossene Haltung einer Vielzahl von Studierender zurückzuführen, die sich hinter das TÜWI gestellt haben und uns ihre Solidarität bekundet haben. Einer unserer Slogans lautete: „Boku ohne Tüwi ist wie Boden ohne Kultur!“

Die Einrichtung von TÜWIS HOFLADEN, der seit mehr als zwei Jahren die Studierenden und MitarbeiterInnen der Boku mit biologischen, regionalen und fair gehandelten Produkten versorgt, wurde ebenfalls gegen den Widerstand des damaligen Rektorats durchgesetzt.

Wir sahen und sehen uns somit in einer vergleichbaren Situation wie die engagierten Studierenden, die im Jahr 1994 auf die Einführung eines Instituts für ökologischen Landbau an der Boku bestanden haben und sich mit ihrer Forderung schließlich gegen die konservativen Agrarwissenschaften durchsetzen konnten. Heute ist das Institut für ökologischen Landbau wie auch TÜWIS HOFLADEN nicht mehr von der Boku wegzudenken.

Von sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit sind jedoch sowohl die Universitäten als auch die Politik in den Ministerien nach wie vor meilenweit entfernt.

Drei Beispiele seien hier exemplarisch genannt: Erstens der nach wie vor ungebremste Vormarsch von Gentechnik und industrialisierter Landwirtschaft, zweitens der aktuelle Diskurs zum Thema Agro- Teibstoffe, die im globalen Maßstab massiv das Recht auf Ernährung bedrohen und drittens das Unvermögen und die politische Verweigerung, das derzeitige Ausmaß an Co2-  Emissionen effektiv zu reduzieren.

Wir setzen uns dafür ein, dass an der Boku eindeutige Akzente in Richtung der Erforschung ökologisch und sozial verträglicher Alternativen zu den oben genannten Problemen gesetzt werden.

Wir fordern als ersten Schritt die Einrichtung einer eigenständigen Versuchsanstalt für biologische Landwirtschaft an der Boku nach dem Vorbild der Universität Kassel in Deutschland.

Wir wollen hier auch dezidiert erwähnen, dass TÜWIS HOFLADEN in einer Symbiose mit kleinstrukturierter Landwirtschaft lebt. Letztere wird jedoch kategorisch totgesagt oder, noch scheinheiliger, als „nicht überlebensfähig“ bezeichnet.

Dem wollen wir als kritische Studierende unsere konsequente Praxis der Nachhaltigkeit entgegensetzen.

Da wir allerdings den neoliberalen Umbau der Universitäten und die damit einhergehenden Studiengebühren als wesentlichen – wenn nicht den wesentlichsten – Hemmschuh sehen, der der Entfaltung von der Nachhaltigkeit verpflichteten studentischen Initiativen entgegensteht, wollen wir heute den symbolischen Schulterschluss mit den beiden anwesenden Ministern verweigern.

Aufgrund der Studiengebühren und der einengenden Ökonomisierung der Lehre haben immer weniger Studierende die Zeit und die finanzielle Möglichkeit, sich im TÜWI oder in TÜWIS HOFLADEN zu engagieren.

Bevor die Studiengebühren nicht abgeschafft sind und die Universitäten nicht Ort des kritischen Denkens und der Entfaltung von Freiräumen sind, schütteln wir keine Hand eines Ministers.

Wir freuen uns über den Gewinn des Nachhaltigkeits- Preises und werden uns weiterhin im TÜWI und in TÜWIS HOFLADEN mit voller Kraft unserer Arbeit widmen.

Besuchen Sie uns im TÜWI oder auf unserer Homepage http://tuewi.action.at

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