Vom 11. bis 12. März 2010 sind BildungsministerInnen aus 46 Staaten zur 10JahreJubiläumskonferenz des Bologna-Prozesses nach Wien und Budapest geladen. Angesichts der Zustände an den Universitäten und im gesamten Bildungsbereich sehen wir jedoch keinen Grund zu feiern.
Die breiten Proteste für freie Bildung haben deutlich gemacht, dass es hier um weit mehr als die Interessen von Studierenden geht: Diejenigen, die die Wirtschaftskrise nicht verursacht haben, sollen für sie zahlen. Die gesamtgesellschaftlichen Missstände machen es erforderlich, dass wir für unsere Forderungen und Interessen gemeinsam eintreten müssen: * 11.03. 15:00 Internationale Demonstration, Westbahnhof Wien * 12.-14.03 Alternativgipfel, Campus Universität Wien Angesichts der, im Vergleich zu den USA, sinkenden Anteile der EU am Weltmarktwachstum wurde 1997 die Lissabon Strategie und konkret im Kontext 1998 die Bologna Reform beschlossen. Ziel war, die EU bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten Wissensraum der Welt zu machen. Das Papier, das sich wie ein neoliberales Lehrbuch liest, bedeutete einen Frontalangriff auf den Sozialstaat, den Ausverkauf öffentlichen Eigentums und eine Nivellierung von Sozialstandards und Lohnniveaus nach unten unter dem Druck von Standortlogik. Im Sinne der Herstellung von Wettbewerbsfähigkeit wurden Lohnabschlüsse unter der Inflationsrate und damit Reallohnverluste abverlangt. Das heisst, die Steuerlast tragen zunehmend ArbeitnehmerInnen und Arbeits- sowie soziale Rechte weichen prekarisierten Arbeits- und Lebensverhältnissen. Ein zentraler Bestandteil der Lissabon Strategie ist als strategischen Ressource das „Kapital Wissen“ und die „Wissensgesellschaft“. Wissen wird von einem öffentlichen Gut in ein privates, handelbares Gut umdefiniert. Allerdings stellt Wissen und Bildung an sich, als öffentliches Gut, auch ein soziales Recht dar -- der Nutzen geht weit über den einer ökonomischen Verwertbarkeit hinaus! Diese gesamtgesellschaftliche Relevanz drückt sich auch in philosophischen, kulturellen, soziologischen und politischen Fragestellungen aus. Züge der exklusiven (Zugangsbeschränkungen) Privatwirtschaft (ein Universitätsrat als Aufsichtsrat) und Zugang nur für zahlungskräftige Kundschaft (Studiengebühren) manifestieren die soziale Selektion: „Employability“ und „Verwertbarkeit“ zum alleinigen Zweck der Tätigkeit der Beschäftigten im „Wissensbetrieb“; „Outputkriterien“, „Benchmarking“ und „Effizienz“ erzeugen eine strikte Unterordnung von Qualität und Reflexion. Die Bolognareform ist eine pragmatische Zerschlagung der öffentlichen Bildung: Die dreigliedrige Teilung in eine „Ausbildung“ für die breite Masse (minimalisierte Bachelorstudiengänge vergleichbar mit z.B. Fachhochschulen) samt einer Elitenreproduktion im Master aber v.a. im PhD lassen eine exakte Zielrichtung erkennen. Die offiziell gewünschte Interdisziplinarität und Mobilität wird nebstbei durch den Ersatz von Wahlfächern mittels inadäquater Module und verschulter Studienpläne verunmöglicht. Hinzu kommt der historische Abbau von Mitbestimmung und gewachsener Demokratie an den Universitäten. Diese ungewollte Entdemokratisierung drückt sich in Österreich im Universitätsgesetz 2002, ihrer Novelle 2009, aber insbesonders in der ÖHwahlrechtsreform 2004 (HSG) aus. Auch die Bemühungen zur Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit erfahren einen harten Rückschlag. Nach der Einführung der Studiengebühren ging der Anteil der Doktoratstudentinnen zurück -- auch ist bemerkenswert, dass keine einzige österreichische Universität von einer Rektorin geleitet wird. http://bolognaburns.org / http://unsereuni.at Bildungsabbau scheint wesentlicher Teil eines weitreichenden allgemeinen Sozialabbaus im Neoliberalismus zu sein. ArbeitnehmerInnen des Gesundheits/Sozialbereichs werden bspw. mit einer Lohnerhöhung von 0,9 % abgespeist, allerdings liegen da die Löhne und Gehälter schon jetzt um fast 20% unter dem Durchschnittseinkommen aller Beschäftigten! Unter dem Motto „in Zeiten der Krise müsse jeder kürzer treten“ will bmf Pröll nach vergangenen Sparprogrammen weitere 6 Mrd. einsparen („Stabiltätsprogramm“), was weitere Kürzungen der Sozialausgaben bedeuten wird. Angesichts der geleisteten Milliardenunterstützung für Banken, die – trotz mittlerweile angedachter !0,07! % Bankensteuer – nach wie vor Rekorddividenden ausschütten (Erste Bank) und Managementbonis ausbezahlen oder durch kriminelle Machenschaften Spareinlagen vernichteten (Hypo), ist die Argumentation von „Sachzwängen“ entkräftet. Das Argument – Es gäbe weder Geld für die Finanzierung der öffentlichen Bildung, noch für Pensionen und Sozialleistlungen – ist blanker Zynismus. Zynisch ist auch, dass die WissenschaftsministerInnen von 46 Staaten am 11. und 12. März zur 10Jahre-Jubiläumskonferenz des Bolognareform nach Wien und Budapest laden, um eben diese Verhältnisse zu feiern. Der Gipfel wird dabei unter anderem deshalb in Österreich ausgerichtet, weil Österreich als Musterland in der gesetzlichen Umsetzung (UG 2002) der Bolognareform gilt. Unterstützungsaufruf Gemeinsam dem Bildungs und Sozialabbau entgegentreten! Unsere Zukunft in unsere Hände! internationalen Demonstration am Donnerstag, 11.03.2010 Wir rufen euch auf: Beteiligt euch aktiv bei den Protesten! Geht auf die Straße! Mobilisiert eure Netzwerke für die geplanten Proteste und ruft zum kollektiven Widerstand auf! Weiters wollen wir euch zur Teilnahme am Alternativgipfel „Endstation Bologna?!“ *) vom 12.14.03. einladen, wo ihr u.a. die Möglichkeit haben werdet, Workshops anzubieten und diese aktiv mitzugestalten. http://unsereuni.at/?p=14448 Gemeinsam stehen wir für eine politische Praxis, die • Menschen vor Profite stellt, • gesamtgesellschaftliche Missstände nicht isoliert betrachten sondern solidarisch bekämpfen will, • über Alternativen eines sozialen Europas diskutiert, • zu einer politischen Wende weg von Neoliberalismus hin zu solidarischen und verantwortungsvollen Formen des Zusammenlebens beiträgt, • die Relevanz von Bildung und Universität in der Gesellschaft thematisiert. Gemeinsam sind wir stark! Wir freuen uns auf eine dynamische und konstruktive Zusammenarbeit! http://bolognaburns.org / http://unsereuni.at