Das Patriachat ist immer noch nicht zu Ende. Viele starke Frauen* haben Kämpfe geführt um dies zu ändern - manches ist leichter geworden, anderes wiederum schwerer.
Noch immer leben wir in einer Gesellschaft in der Frau*-Sein Einschränkung bedeutet. Im kollektiven gesellschaftlichen Bewusstsein ist Frau* zu sein nie gültiges Maß der Dinge - alles orientiert sich an Nicht-Frauen. Und somit stellt sich für uns noch immer die Frage wie wir diesen Zustand aufzeigen und verändern können.

Die Tüwi Frauen*gruppe ist ein Ort, an dem wir diesen Kampf weiterführen, beginnen, vernetzen und diskutieren wollen. Wir wollen gemeinsam emanzipatorische Freiräume  schaffen und solidarische Wege finden, um uns Handlungsspielräume zu eröffnen.


Differenzen zwischen Frauen*
 Wenn wir in diesem Text von Frauen* sprechen dann verstehen  wir dies keinesfallsin einem biologistischen Sinne. Geschlecht ist, genauso wie Alter, Rasse, Klasse, Nation etc. eine soziale Kategorie und nicht 'natürlich' bedingt. Der Begriff Frau wird in diesem Text strategisch verwendet, um uns zu vernetzen. Lesben, Mädchen und Transgender sind hier auch angesprochen, deshalb der  Stern(*).
Obwohl wir alle Frauen* sind, sind wir nicht alle gleich: Wir sind unterschiedlich alt, haben unterschiedliche Herkunft und Sozialisation, oder auch verschieden wenig Geld. Diese gesellschaftlichen Hierarchien existieren auch in der Tüwi Frauen*gruppe. Indem wir sie sichtbar machen und uns ihrer bewusst werden, versuchen wir, die hierarchischen Strukturen aufzulösen. Abwesenheit von Hierarchie heißt für uns nicht Gleichmacherei, im Sinne von „wir sind alle gleich“, sondern die gegenseitige Anerkennung unserer Verschiedenheit. Frauengruppen sind nicht automatisch friedlicher und/oder harmonischer, da Friedfertigkeit und Harmonie per se keine „weiblichen“ Eigenschaften sind. Die angeblich „weibliche“ Harmoniebedürftigkeit ist ein patriachaler Mythos, genauso wie Männer nicht immer stark sind sind wir nicht immer freundlich.


Patriarchat ?
In unserer Gesellschaft gibt es viele verschiedene Arten der Unterdrückung - aufgrund von Hautfarbe, Vermögen, etc.. .
Die Unterdrückung aufgrund des Geschlechts ist eine grundlegende, unsere Gesellschaft strukturierende Tatsache. Patriachales Denken erzeugt eine klare Trennlinie zwischen den Geschlechtern. Frauen und Männern werden unterschiedliche Eigenschaften zugesprochen. Diese erzeugen einen gesellschaftlichen Erwartungsdruck der in der Folge oft erfüllt wird. Sogenannte männliche Eigenschaften (stark, rational, technisch begabt...) werden höher bewertet als weibliche (schwach, emotional, sozial, sorgend...). Männlichkeit wird über Weiblichkeit gestellt.
Patriarchat passiert nicht nur 'irgendwo da draussen'  sondern auch hier bei uns, in unseren Köpfen und in unseren alltäglichen Handlungen. Wir alle sind geschlechtlich sozialisiert, das bedeutet, dass wir gelernt haben uns unserem Geschlecht entsprechend zu verhalten und auch so zu denken. Sexismen sind im Umgang miteinander andauernd präsent und werden erstaunlich selten hinterfragt.

  • Wer redet wie viel?
  • Wer redet öfter?
  • Wer spricht worüber?
  • Wer unterbricht wen?
  • Wer übernimmt Verantwortung?Und wofür?
  • Wen rufe ich an, wenn ich eine Frage habe?
  • Wen, wenn ich plaudern möchte?
  • Wer macht sich hübsch?
  • Wer hat viel zu erzählen?
  • Wer kennt sich eh aus?
  • Wer traut sich?
  • Wer erledigt das halt schnell?
  • Wer fragt nach? Wer nicht?
  • Wer denkt „ist das arg, was ich an habe?“


Manchmal kann es schwierig sein, patriarchale Mechanismen als solche zu erkennen und zu benennen, da unser Blick nicht geschult ist. Wir haben gelernt, Unterdrückung als Normalität zu begreifen. Dabei findet Unterdrückung nicht nur als großes Ereignis statt, sondern versteckt sich in den alltäglichen Handlungen und Erfahrungen. Unterdrückung heißt nicht nur, auf dem Heimweg vergewaltigt zu werden, sondern auch z.B. bei fachlichen Diskussionen nicht ernst genommen zu werden, oder Frauen nicht ausreden lassen.
Strukturelle Unterdrückung, z.B. geringere Bezahlung bei gleicher Arbeit, Geringschätzung der Kindererziehung, Schönheitideale und so weiter, betrifft uns alle.
Eine emanzipatorische Praxis muss vor allem in Auseinandersetzung mit uns selbst ansetzen. Nur wenn wir uns patriachaler Strukturen bewusst sind, können wir versuchen daran zu arbeiten und uns davon zu befreien. Diese notwendige Selbstreflexion ist in der Gruppe leichter und kann zu einem spannenden und produktiven Prozess werden.

Frauen*räume
Alle Räume sind vergeschlechtlichte Räume. In gemischten Räumen sind Männer meist dominanter. Sie kommen öfter zu Wort, nehmen sich mehr Raum, zB werden von ihnen vorgeschlagene Themen öfter und länger diskutiert als Themen die von Frauen* eingebracht werden. Solange es so ist, brauchen wir Frauenräume. Frauenräume sind selbstbestimmte Räume zu denen nur Frauen, Lesben, Mädchen und Transgender Zugang haben. In einem Frauen*raum können wir neue Formen des Umgangs miteinander ausprobieren -  Umdenken und anderes Handeln können experimentell und spielerisch erfahren werden. wenn das eigene Verhalten in Frauen*räumen anders gelebt werden kann, dann ist es möglich es auch in gemischte Räume hineinzutragen und diese so zu verändern.

Kurze Geschichte
Die Tüwi - Frauen*gruppe fand ihren Ursprung am Tüwi-Seminar 2005. Das Seminar hatte den Schwerpunkt „Geschlecht – Hierarchien – patriarachale Strukturen – im Tüwi!?“. Der Ansatz eines emanzipatorischen Freiraumes ist in unseren Statuten verankert, am Seminar mussten wir uns jedoch eingestehen, dass die Umsetzung in die Praxis auch in unserem Kollektiv sehr mangelhaft war. Denn über Theorie lässt es sich leicht reden, bei der Umsetzung in die Praxis schauts leider oft anders aus. Beim Seminar wurde uns bewusst, dass es innerhalb des Tüwikollektives wenig Frauensolidarität und Vernetzung unter Frauen gab. Um der Solidärität und Vernetzung einen Ort und Raum zu geben, gründeten einige von uns Tüwi-Frauen die Tüwi-Frauen-Gruppe. Das TüwiFrauenPlenum ist ein regelmäßiges Plenum mit Entscheidungskompetenzen. Es gibt viele gute Gründe warum wir diesen Raum haben und auch brauchen. Nicht alle Tüwi Frauen kommen aus den gleichen Gründen – und das ist auch gut so. Einige unserer Motivationen und Ziele haben wir hier aufgelistet:

  • Wir wollen Frauen*solidarität leben.
  • Wir brauchen den Erfahrungsaustausch.
  • Wir wollen sehen, dass es nicht nur uns allein so geht.
  • Wir müssen nichts beweisen.
  • In gemischten Gruppen herrscht oft Konkurenzdruck – wer ist lauter, stärker und besser.
  • Gerade in traditionell männlich dominierten Gebieten, zb bei der Bühnentechnik fällt es vielen Frauen* dadurch besonders schwer zum Zug zu kommen.
  • Wir wollen tun was wir wollen – und dabei auch Fehler machen können.
  • Gemeinsam sind wir noch stärker und können was verändern!
  • Wir können Themen vorher besprechen bevor wir sie ins gemischte Plenum tragen. Dadurch können wir besser gemeinsam auftreten, wir können aufeinander Bezug nehmen und uns wird der Rücken gestärkt.
  • Frauen*vernetzung führt zu mehr Selbstbewusstsein.
  • Wir wollen Hierarchien im Tüwi hinterfragen – sowohl versteckte als auch offene – im Bewusstsein dass geschlechtliche Sozialisation eine Rolle spielt.
  • Wir wollen Frauen*netzwerke fördern und das Konkurrenzdenken zwischen Frauen beseitigen.
  • Wir wollen auch Kooperation mit Männern – die Debatte geht uns alle an!
  • Wir treffen im Frauen*plenum Entscheidungen.
  • Wir wollen feministische Politik nach aussen tragen.
  • Wir wollen Frauen* und ihre Forderungen sichtbarer machen


Was wir nicht wollen ist das Tüwi von seiner Verantwortung gegenüber feministischen Fragestellungen zu befreien. Das Frauen*plenum ist nicht der Abstellplatz für 'Frauen-relevante' Themen. Für eine antidiskriminierende Welt müssen wir gemeinsam kämpfen. Der Kampf gegen das Patriachat geht uns alle was an!

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